Pfälzer Höhenweg: Wie ich in der Heimat meine Liebe zum Wandern fand und mich nebenbei selbst heilte
Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer
Inhalt
Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer
Obwohl ich seit mittlerweile neun Jahren nicht mehr in der Pfalz wohne, schlägt mein Herz noch immer laut und unbeirrt für die Heimat. Ich liebe die Weinberge, die Hügel, den Geruch von frisch gemähtem Gras. Ich liebe sogar die Windräder, die auf der Höhe über meinem Elternhaus stehen und dort stetig ihre Runden drehen.
Mittlerweile wohne ich in Berlin, mitten im Gewusel von Kreuzberg. Auch wenn ich direkt am Park und unweit des Tempelhofer Feldes wohne, ist sie immer wieder da, die Sehnsucht nach Natur. Was mir ganz besonders fehlt, ist der Weitblick. Wenn ich auf dem Feld stehe und den Blick über das Nordpfälzer Bergland schweifen lasse, dann geht es mir gut, dann kann ich frei durchatmen.
Die Heimat neu entdecken
Ich bin oft bei meinen Eltern, meistens für Dorffeste. Ich brauche meine Heimat also gar nicht so sehr zu vermissen. Doch seit einiger Zeit machte sich in meinem Kopf ein Gedanke breit: Ich hatte Lust auf eine längere Wandertour.
Beim Wandern den Kopf frei kriegen, meine Kondition testen und Zeit in der Natur verbringen, stand auf meiner Wunschliste ganz oben. Die Auswahl an europäischen Fernwanderwegen ist riesig: Camino Frances, West Highland Way in Schottland oder wandern auf Mallorca? Doch nach ein bisschen Recherche fand ich eine Lösung, die einfacher nicht sein konnte: der Pfälzer Höhenweg.
112 Kilometer ist der Pfälzer Prädikatswanderweg, der 2011 eingeweiht wurde, lang. Und eines vorweg: Er wird seinem Namen gerecht. Es geht steil hinauf ins Pfälzer Bergland, doch dafür wird man immer wieder mit spektakulären Aussichten belohnt. Keine der Routen ist länger als 25 Kilometer von meinem Heimatdorf Kalkofen entfernt, somit spare ich mir Übernachtungskosten und kann ohne Probleme Pausentage zum Arbeiten einlegen.
Auch über fehlende Unterstützung kann ich mich nicht beklagen. Kaum erzähle ich in der Heimat von meinem Vorhaben, habe ich für alle geplanten Touren Begleitung gefunden. Über fehlende soziale Kontakte konnte ich mich in der Pfalz noch nie beschweren.
Ohne große Planung geht es los. Ich berate mich mit meiner Freundin und wir suchen uns nicht chronologisch, sondern nach Lust und Laune eine der Etappen aus. Zusammen mit ihrem Freund starten wir zu dritt das Abenteuer Pfälzer Höhenweg mit der Etappe 5 von Obermoschel nach Meisenheim. Sie ist mit 12,9 Kilometern die kürzeste Route, perfekt für den Anfang. Gleich zu Anfang der erste Dämpfer. Kaum sind wir losgelaufen, merken wir, dass wir falsch sind. Direkt die erste Abzweigung haben wir vor lauter Motivation übersehen. Also nochmal auf Start. Ab jetzt sind wir besonders aufmerksam.
Über idyllische Feldwege geht es vorbei auf die Schiersfelder Höhe. Der Anstieg ist anstrengend und ich hoffe, dass wir bald oben sind. Obwohl es Ende August und außergewöhnlich heiß ist, bläst dann auf der Höhe ein leichter Wind. Die Gedanken können fließen, meine Augen schauen statt auf Kreuzberger Graffitis über frisch gemähte Felder, bewaldete Hügel und das nahegelegene Callbach. Gleich am Anfang meiner Wandertage stellt sich das Gefühl ein, auf das ich hoffte: Freiheit. Klarheit. Entspannung.
Eine Zeit lang führt uns der Weg durch den Wald, bis sich uns ein grandioser Panoramablick über Meisenheim bietet. Die Altstadt von Meisenheim ist fast unbeschadet aus dem 14. Jahrhundert erhalten und ist ein echtes Schmuckstück. Als wir kurz vorm Ziel über die Glanbrücke laufen, passieren wir die ehemaligen Grenze zwischen Preußen und Bayern, denn die Pfalz gehörte bis zum zweiten Weltkrieg zu Bayern.
In der Altstadt bestaunen wir die spätgotische Schlosskirche, in der einige Pfalzgrafen begraben sind, unter anderem die Vorfahren von Maximilian I., dem ersten König von Bayern und Begründer der Wittelsbacher Königslinie. Wir schlendern vorbei an mittelalterlichen Adelshöfen und Bürgerhäusern durch das Untertor, vorbei am alten Rathaus.
Obwohl ich die Stadt seit Kindertagen kenne, erlebe ich sie heute neu. Voller Eifer knipse ich mit der Kamera ein Bild nach dem anderen. Als Einheimischer die Stadt wie ein Tourist erleben – genau das tue ich hier. Bei Kaffee und Kuchen erholen wir unsere müden Beine direkt am Ufer des Glans und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Der erste Tage bestärkt mich in meiner Entscheidung. Toller Weg, heile Füße und Lust auf mehr!
Bergbau in der Nordpfalz: Geschichte erleben
Ein Highlight meiner Wanderung auf dem Pfälzer Höhenweg ist die Etappe von Rockenhausen bis nach Obermoschel, die ich mit Kristin bis nach Alsenz laufe. An diese Etappe hatte ich im Vorhinein keine Erwartungen. Ich kenne die Bundesstraße auf dem Weg wie meine Westentasche, sonderlich spannend finde ich sie nicht. Doch wir verlassen schnell bekannte Wege und laufen erst einmal hoch hinaus auf die Höhe über Katzenbach, wo die Reste einer „Villa Rustica“ gefunden wurden. Sie zählt zu den größten Ausgrabungskomplexen der Westpfalz. Weiter geht es an Brombeersträuchern mit saftig-süßen Beeren und Waldgebieten vorbei zur Gemeinde Stahlberg, eines der früheren Bergbauzentren am Donnersberg.
Am Stahlberg wurde seit dem frühen Mittelalter in zahlreichen Gruben Quecksilbererze, vorwiegend Zinnober, gewonnen. Die Nordpfalz gehörte Mitte des 16. Jahrhunderts zu den drei bedeutenden Quecksilbervorkommen Europas. Vor dem dreißigjährigen Krieg kam der Bergbau weitgehend zum Erliegen und erlebte im 18. Jahrhundert erneut eine Blütephase. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg führte dazu, dass nach einigem Auf und Ab der Bergbau 1942 komplett eingestellt wurde. Ich finde es immer wieder schade, dass wir alle so wenig über unsere eigene Heimat wissen. Mit großem Interesse lese ich die Hinweisschilder und recherchiere danach im Netz.
Statt Unter-Tage-Charme erwartet uns auf dem Stahlberg ein idyllisches Dörfchen, das ich so gar nicht in Erinnerung hatten. An Pferdeweiden vorbei, geht es weiter durch kurze Waldabschnitte gen Norden, bis wir den Weidelbacherhof erreichen. Hier haben Anwohner ein kleines Gartenhäuschen als Wander-Rast-Station namens „Hühnerhaus“ umfunktioniert. Hier machen wir ausgiebig Pause und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen.
Bei einer Apfelsaftschorle und Keksen genießen wir den Blick ins weite Land und den Plausch mit der Nachbarin. Es sind die kleine Dinge wie dieses nette Häuschen mit Vertrauenskasse, die mich begeistern. Es wäre schön, wenn es mehr solcher Orte gebe. Denn eines muss man sagen: An Einkehr- und Unterkunftsoptionen mangelt es auf dem Weg.
Eine weitere Etappe des Pfälzer Höhenwegs laufe ich mit meinen Eltern. Auf dieser Etappe von Meisenheim nach Lauterecken bin ich nur 25 Kilometer von meinem Dorf entfernt, dennoch ist mir die Gegend komplett neu. Vielleicht war ich als Kind einmal in Lauterecken, erinnern kann ich mich nicht wirklich. Und so entdecke ich zusammen mit meinem Eltern eine für mich neue Stadt. Für meine Mutter ist es eine Herausforderung. Mit Wandern hat sie eigentlich gar nichts am Hut. Im Vorhinein mussten wir erst einmal geeignete Schuhe kaufen, denn sie besitzt einfach keine flachen, sondern nur Absatzschuhe und Sandalen.
Dafür schlägt sie sich tapfer. Eine passionierte Läuferin wird aus ihr aber wohl nicht mehr. Wir laufen entlang einer alten Römerstraße, vorbei an einem Steinbruch und verbringen einen schönen Tag bei bestem Wetter und netten Gesprächen.
Auf Donars Spuren
Auf meiner vierten und vorerst letzten Tour entlang des Höhenwegs laufe ich mit meinem Vater auf den Donnersberg. „Donars Berg“, der Berg des keltischen Wettergottes ist mit mit 687 Meter der höchste Berg der Pfalz. Für mich ist der Anstieg eine Reise in die Vergangenheit. Jedes Kind aus der Gegend kennt den Donnersberg vom Schulausflug, von Familienwanderungen oder vom Schlittenfahren in Winter.
Früher waren wir oft im Kastanienhof in der Sauna und im Schwimmbad und danach nebenan in der Blockhütte Pommes essen. Wann ich das letzte Mal da war? 13 Jahre dürfte es mindestens her sein. Da der Pfälzer Höhenweg momentan auf den ersten beiden Etappen, also Winnweiler bis Bastenhaus und rund um den Donnersberg, auf manchen Teilen wegen Forstarbeiten gesperrt ist, folgen wir anderen Rundwegen auf die Spitze. Wir schwitzen schon nach den ersten Metern, so steil geht es bergauf. Doch oben angekommen wartet einer der schönsten Blicke der Etappen auf uns.
Vorbei am Ludwigsturm und ehemaligen US-Sendemast gehen wir zum Adlerbogen, der erst kürzlich restauriert wurde. Der goldene Adler, der am Abhang thront ist beeindruckend und der Blick in die Tiefe kann schon einmal die Knie zittern lassen. Von der Plattform über dem Adlerbogen stürzen sich Gleitschirm- und Drachenflieger, die mehr Adrenalin als ich brauchen, in die Tiefe.
Am Donnersberg tauchen wir immer wieder in die Geschichte ein: Bayern, Alleierte und vornweg natürlich Kelten. Moderne Skulpturen und Fundstücke aus keltischer Zeit erinnern an die frühe Besiedlung. Auch ein Teil der keltischen Ringwallanlage, die 150 v. Chr. auf dem Donnersberg errichtet wurde, lässt sich heute noch besichtigen.
To be continued
Der Pfälzer Höhenweg führt in sieben Etappen von Winnweiler nach Dannenfels, weiter nach Bastenhaus, Rockenhausen in Richtung Alsenz. Der Weg passiert Burgruinen wie die Burg Randeck und Moschellandsburg und führt in die kleinste Stadt der Pfalz, Obermoschel. Von Meisenheim aus endet der Höhenweg in Wolfstein nach 112 Kilometern. In den Städten gibt es kleine Museen und Restaurants zu entdecken, in den Dörfern liebevoll restaurierte Häuser und blühende Gärten. Abwechslungsreiche Landschaft und weite Blicke sind beim Höhenweg an der Tagesordnung.
Ich bin nur einen Teil der Strecke gelaufen und bin mir sicher, dass ich viele tolle Aussichtspunkte und angenehme Waldwege verpasst habe. Gerne würde ich noch von der Burgruine Falkenstein ins Land schauen, im Bastenhaus oder dem Café Anno dazumal einen Kaffee trinken oder bis nach Wolfstein wandern, wo ich noch nie war. Was ich aus den Wandertagen mitnehme? Ich weiß, dass ich nicht in die weite Welt reisen muss, um beim Wandern eine tolle Natur zu erleben.
Ich war auf Berggipfel in Nordindien, im Dschungel von Malaysia und kann trotzdem mit gutem Gewissen sagen: Der Pfälzer Höhenweg war die beste Wahl für meine Wanderung. Und mehr noch: Ich bin richtig mit dem Wanderfieber infiziert. Neben Wanderungen in Brandenburg planen wir gerade eine Reise nach Nepal.
Ein kleines Wunder am Rande
Nach dem ersten Tag hatte ich Muskelkater bis in die Pobacken, am zweiten Tag drückte der Schuh, doch je öfter ich laufe, desto einfacher fällt es mir. Kein Muskelkater mehr, keine Blasen und ich fühle mich körperlich richtig gut. Und auch geistig geht es mir besser. Die letzten Monate waren von Selbstzweifeln und Ängsten geprägt, doch beim Wandern vergesse ich das. Ich fühle mich leicht und beschwingt.
Und an dieser Stelle muss ich etwas gestehen. Die Idee mit dem Wandern auf dem Pfälzer Höhenweg hatte auch einen anderen Grund. Einen Grund, über den man nicht gerne redet. Ich leide seit einigen Jahren an schlimmen Warzen an Händen und Füßen. Barfuß war es mir fast unmöglich zu laufen, so groß waren die Schmerzen. Von der Optik ganz zu schweigen. Natürlich schämt man sich und so waren Yoga und Besuche am Badesee immer damit verbunden, möglichst keinem meine Fußsohlen zu zeigen. Ich hatte bereits eine Laser-OP mit Vollnarkose und Krankenhausaufenthalt und alle Hausmittel probiert, die es gibt. Nichts half.
Aus Spaß meinte ich vor ein paar Wochen, als es mal wieder besonders schlimm war, zu meinem Freund: „Weißt du was, ich laufe mir die Warzen einfach weg“. Aus dem Witz entstand die Idee einer Wanderung. Und wisst ihr was? Nach nur 4 Tagen wandern sind meine Füße besser denn je. Ich würde mal schätzen, dass noch circa 20-30% übrig sind. Ich glaube, ich habe mich mit purer Willenskraft von meinen Warzen an den Füßen geheilt und das mit so etwas einfachem wie wandern. Nicht schlecht, oder? 😉 Ich schnüre dann mal wieder meine Schuhe und laufe den Rest weg.
Mehr Infos und Impressionen zum Pfälzer Höhenweg findet ihr bei meinem Pfälzer Magazin Krawwelkatz.
Infos zum Pfälzer Höhenweg sowie ein Faltblatt gibt es bei der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel und online unter Donnersberg-Touristik.de.
Folgt ihr mir eigentlich auf Instagram? Unter Bezirzt.de gibt es fast täglich neue Bilder und auch einige von meiner Wanderung.
10 Kommentare
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caroline roy
Hallo Julia,
deine Webseite und dein Schreibstil gefallen mir sehr. Wollte ich dir einfach nur sagen!
Grüsse,
Caroline Roy
Julia Schattauer
Libe Caroline,
danke dir für das Kompliment und dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, es zu sagen! <3
Liebe Grüße!