
Zeitreise in die Seventies – zu Besuch im 70er-Jahre-Hotel
Last Updated on 23. März 2023 by Julia Schattauer
Inhalt
Last Updated on 23. März 2023 by Julia Schattauer
Der Einrichtungsstil der 1970er-Jahre ist Geschmackssache, keine Frage. Entweder man liebt Mustermix und Wandfliesen, oder eben nicht. Außer Frage steht allerdings, dass ein Hotel, das komplett mit der Originaleinrichtung der 70er aufwarten kann, etwas ganz Besonderes ist. Davon konnte ich mich im Parkhotel 1970 in Vielbrunn im Odenwald selbst überzeugen. Und so viel spoilern sei erlaubt: Ich habe mich Hals über Kopf in das 70er-Jahre-Hotel verknallt. Doch fangen wir von vorne an.
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70er-Jahre-Hotel: Zwischen Kindheitserinnerungen und Hochglanzmagazin
Ich steige aus dem Bus, mit dem ich von Bad König hergefahren bin, laufe die Straße hinunter und sehe schon von Weitem, dass ich richtig bin: Ein Bungalow im 70er-Jahre-Look, getönte Scheiben und das unmissverständliche Schild „Parkhotel“ über der Tür. Als ich jedoch eintreten will, ist alles verriegelt. Der junge Mann, der gerade am Unkrautvernichten ist und sich als Herr des Hauses herausstellt, öffnet mir die Tür und erklärt mir, dass mittlerweile der Hintereingang direkt am großen Parkplatz der eigentliche Eingang zum Hotel ist. Mit dem Bus kommt sonst wohl niemand hier an. Während er seine Frau ruft, nutze ich die Gelegenheit, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen: Rot gemusterter Teppichboden, Glasbausteine, Sitzgruppen aus Cord. Kindheitserinnerungen an Verwandtenbesuche, Grundschule und Hochglanzmagazin – diese eigenartige Mischung an Assoziationen ploppen in meinen Gedanken auf. Über die prominente Steintreppe gehe ich nach oben zur Rezeption, wo Frau Toma auch schon mit einem Strahlen auf mich zukommt.
Seit März diesen Jahres hat Otilia Toma mit ihrem Mann, den Schwiegereltern und dem kleinen Sohn nicht nur die Wohnung im Haus bezogen, sondern auch die Leitung des 70er-Hotels als Familienbetrieb übernommen. Wie so oft war es der Zufall, den die junge Familie hierher in den Odenwald brachte. Über ihre Arbeit in einem Golfclub hatte Otilia Toma Kontakt zum Golfclub in Vielbrunn, der ebenso wie das Parkhotel der Familie Deitrich gehört. Über ein paar Umwege ergab sich die Gelegenheit, das Hotel als Betreiber zu leiten. Eine Entscheidung, die die Familie nicht bereut. Die Formalitäten erledigen wir erledigen im Handumdrehen und machen dann gemeinsam eine kleine Hausführung. Wir werfen einen kurzen Blick ins Hotelbüro und kommen an einem Bild vorbei, welches das Haus in seinen Anfangszeiten zeigt, als hier noch eine Metzgerei war. In den heutigen Büroräumen war zeitweise sogar ein kleines aber äußerst beliebtes Gasthaus mit lokaler Küche untergebracht, das als Treffpunkt für Menschen aus Nah und Fern diente. Nachdem Familie Deitrich mit dem Golfclub immer erfolgreicher wurde, entschieden Sie sich 1993 das Hotel zu schließen, um sich komplett aufs Golfgeschäft zu konzentrieren. Und so fiel das Hotel samt seiner einmaligen Einrichtung in einen zwanzigjährigen Dornröschenschlaf. Erst im Jahre 2011 übernimmt die Enkelin der Deitrichs, Ann-Katrin Thimm die Führung des Parkhotels und es fließt wieder Leben in die Räumlichkeiten.



Hardore-70er statt Boho-Vintage
Wir gehen im großen Saal vorbei, in dem für größere Gesellschaften das Buffet aufgebaut wird, passieren die Theke und gehen dann in den großen Bereich, der aus Frühstücksraum und einer Lounge besteht. Vor allem der Loungebereich mit Ledersesseln, Lammfell und Cordmöbeln lässt mein Herz höherschlagen. Ich bin riesiger Fan des 70er-Jahre-Stils und finde die Einrichtung grandios. Hier ist nichts im Stil der Seventies angehaucht, kein angesagter Boho-Hippie-Stil, sondern Hardcore-70er mit Kitsch, Cord und Kunstblumen. Jedes Einrichtungsstück im Haus ist ein Original, vom Porzellanleoparden über die Möbel bis zu den Bildern und Platzdeckchen.
Das Radio spielt ein paar Oldies, mein Blick schweift durch die große Fensterfront in den hübsch angelegten Garten, der eigentlich eher schon ein Park ist. Durch den Garten gehen wir zu einem separaten Bungalow. Hier befindet sich im unteren Bereich das Schwimmbad mit großer Fensterfront zum Park. Über eine Treppe kommen wir zu den Zimmern. Jedes hat eine Terrasse mit Tisch und Sitzmöbeln, auf dem Rasen stehen Sonnenliegen bereit. Ich betrete mein Zimmer und bin erstaunt, wie hell es hier ist. Die Nachmittagssonne scheint durch die Fensterscheiben und hüllt den Raum in warmes Spätsommerlicht. Das Zimmer ist angenehm schlicht, nur die Tapete bietet mit ihrem Blättermuster in Beige- und Grüntönen einen Blickfang. Auch wenn fast alles im Parkhotel aus dem originalen Inventar der Siebziger besteht, sind die Matratzen und Badezimmer neu renoviert. Bei der Matratze finde ich das super, beim Bad fast ein wenig schade. Auch ein Fernseher ist ein Zugeständnis an den Lauf der Zeit.
Ich habe Durst und gehe zum Selbstbedienungskühlschrank, der beim Schwimmbad für die Gäste zur Verfügung steht. Mit einem Schmunzeln sehe ich das Angebot, das natürlich für ein 70er-Hotel angemessen aus Bluna und Afri-Cola besteht, aber auch alkoholische Getränke, Wasser und Säfte gibt es für die Gäste. Mit einer Bluna in der Hand schlendere ich durch den Garten und mache es mir dann ein paar Minuten auf meiner Terrasse in der Sonne gemütlich. Ich schließe kurz die Augen und lasse die ersten Eindrücke sacken. Die Vögel zwitschern und ich fühle mich angekommen.



Ein Hotel für besondere Anlässe
Ins Parkhotel kommen in erster Linie Nostalgiker und Gruppen wie Oldieclubs oder es werden gediegene Feste mit 70er-Motto gefeiert. Dann ist das Hotel voll belegt, das Fassbier wird angezapft und ein Catering bringt Speisen im 70er-Stil. Ich sage nur Mettigel, Käsespieße und gefüllte Eier. Ein klassischen Restaurantbetrieb gibt im Hotel leider nicht mehr. Ein Ort für rauschende und feucht-fröhliche Feste ist das Parkhotel aber eher weniger. „Wir sind ein Museum“ stellt Frau Toma von Anfang an klar, denn jedes Stück ist kostbar und nicht einfach so zu ersetzen. Auch Individualgäste, meist 70er-Fans kommen gerne zu besonderen Anlässen ins Parkhotel und buchen dann besonders gerne die Suite. Dieses besondere Zimmer hat sich Frau Toma noch für mich aufgehoben, die James-Last-Suite. Sie ist nicht nur das größte Zimmer, sondern auch das Schmuckstück des Hauses mit richtig viel Flair. Hier hat James Last übernachtet, wenn er Konzerte in der Region wie Stuttgart oder Frankfurt gab. Ich streife mit meinen Fingern über die Wandbespannung und bewundere die kleinen Details in den Regalen. Es ist kein Wunder, dass sich das Parkhotel auch als Ort für Fotoshootings und Filmaufnahmen einen Namen gemacht hat. So werden hier Modestrecken fotografiert aber auch TV-Spots wie kürzlich für Aldi-Süd oder Musikvideos gedreht.
Den Abend verbringe ich mit einem Buch im Zimmer und genieße die Ruhe und so dauert es nicht lange, bis ich einschlafe. Am nächsten Morgen gehe ich ins Hauptgebäude zum Frühstück. Wie auch in den 70ern üblich, wird hier das Essen für jeden Gast am Tisch serviert. Ich bekomme Filterkaffee, Orangensaft und auf meinem Teller steht ein frischer Obstsalat für mich bereit. Ein Teller mit Käse und eine Auswahl an Marmeladen, Schokoaufstrich und Honig und Brötchen runden das Angebot ab. Auf Wunsch gibt es auch ein gekochtes Ei oder Müsli dazu. Das Frühstück ist wirklich üppig, noch schöner fände ich es aber, wenn es eine kleine Auswahl an hausgemachten Marmeladen gäbe statt der in Plastik verpackten.


Ausflug nach Michelstadt
Als ich zurück ins Zimmer gehe, um meine Sachen für meinen Ausflug zu packen, kommt mir die Seniorchefin entgegen. Sie trägt ihren Bademantel, roten Lippenstift und ist mit ihrem Hund auf dem Weg zum Schwimmbad, wo sie mit einer Freundin zum Schwimmen verabredet ist. Wir plaudern kurz und dann muss ich los, denn der Bus nach Michelstadt fährt nur alle zwei Stunden und den will ich nicht verpassen. Wer ohne Auto in ländlichen Gegenden unterwegs ist, kommt schnell an Grenzen. Da kommt sogar fast ein Gefühl von Abenteuer auf, denn Busverbindungen in Kleinstädten und Dörfern sind rar gesät. Doch es ist alles machbar, man muss nur eben ein wenig genauer planen. Und so fahre ich in gerade einmal zehn Minuten und für 3,25 Euro nach Michelstadt. Das Städtchen ist touristisch bestens erschlossen. Kein Wunder, denn die Fachwerkhäuser und Gässchen sind wirklich sehenswert und das ideale Ziel für einen Tagesausflug.
Ich schlendere am Rathaus vorbei und betrete einen kleinen Laden, der mich spontan anspricht. Im „rosablum“ gibt es viele von der Besitzerin oder von Menschen aus der Region hergestellte Produkte wie Essig, Öl, Likör oder Aufstrich. Ich nehme ein Orangen-Pfeffer-Öl mit nach Hause. Zur Mittagszeit schlendere ich an den Restaurants vorbei und werfe einen Blick auf die Speisekarten. Ich entscheide mich für das Michelstädter Rathausbräu, wo ich mir zu Mittag ein Bier und eine Portion Nudeln mit Gemüse in Mohnbutter schmecken lasse. Danach drehe ich eine Runde an der Stadtmauer und bewundere die vielen hübschen Fassaden der Häuser. Bevor ich zurück zum Bus gehe, decke ich mich noch mit ein paar Snacks für den Abend ein, damit ich mir später keine Gedanken ums Abendessen machen muss. Da wäre ein Auto natürlich wieder vorteilhaft. Andererseits: Niemand muss zweimal am Tag essen gehen, oder? Hat man in den 70ern sicher auch nicht gemacht. Ein kleiner Abendbrotservice für Individualgäste wäre eine Idee, überlege ich.

Ich tuckere also am späten Nachmittag mit den Schülern im Bus zurück und gehe dann mit meinem Laptop und Buch bewaffnet in die Lounge. Dort mache ich es mir auf einem Ledersessel mit Lammfell gemütlich, lausche den etwas knackenden Songs aus den Boxen und verbringe den restlichen Tag mit ein wenig Arbeit und Lesen. Dabei wärmt mich die Herbstsonne, die nur zu dieser Jahreszeit so wunderbar golden ist. Als ich am nächsten Morgen beim Frühstück mit meinen Zimmernachbarn ins Gespräch komme, fühle ich mich schon irgendwie heimisch in den 70ern und ich merke, dass ich so gar keine Lust habe, meine kleine Zeitreise schon zu beenden. Berlin und das Jahr 2019 kommen mir gerade sehr weit weg vor und genieße die letzten Stunden, bis ich mich mit Bus und Bahn auf den Weg zurück nach Berlin mache.
Parkhotel 1970 in Vielbrunn: Alle Infos
Das Parkhotel ist ein Ort für besondere Anlässe. Hier geht es nicht um Retro- oder Vintagestyle, sondern um ein originales Stück Zeitgeschichte. Am meisten wird das Hotel von Gruppen besucht und so kann das Hotel gerade an Wochenenden oft ausgebucht sein, frühzeitig buchen, lohnt sich also. Ein Auto für die Fortbewegung vor Ort ist sicher von Vorteil, um die umliegenden Dörfer, Städte und Restaurants zu besuchen, aber es geht mit etwas Planung auch mit den Öffentlichen. Alle Infos, Preise und Bilder gibt es hier: Parkhotel 1970.
*Offenlegung: Ich wurde für zwei Nächte eingeladen, damit ich mir ein Bild von diesem besonderen Ort machen kann. Danke dafür! Anreise und alle weiteren Ausgaben habe ich selbst gezahlt.







10 Kommentare
Udo
Wow, das ist hart 🙂 Ich bin ja ein 80er Kind und kenne auch noch so einige Verbrechen aus dieser Zeit. Wir hatten dieses grüne Telefon mit Wählscheibe, ein gelbes und ein baby-blaues Bad und auch einige der Dekorationen kommen mir bekannt vor. Gruselig. Aber vermutlich werden wir das in 30 Jahren auch über unsere aktuelle Einrichtung sagen 😀
Viele Grüße,
Udo
Julia Schattauer
Hi Udo,
ich verstehe, wie du dich fühlst aber ich finde den Stil richtig cool! Klar, jeden Tag bräuchte ich das auch nicht. Aber für ein paar Tage und als Mottohotel finde ich das Parkhotel richtig mega 😉
Janett
OMG – das ist wirklich eine Zeitreise. Da muss ich auf jeden Fall auch mal hin. Auch wenn ich Anfang der 80er geboren bin. Danke für den tollen Tipp!
Ilona von wandernd.de
Wie geil, das ist genau mein Stil 😀 Ich liebe diese Tapeten und Möbel!!
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Fritz Schattauer
Hallo Julia
Ich habe ein paar deiner Berichte und Erzählungen
gelesen und finde sie sehr schön
ich kann meine Geschichten leider nicht so schön
niederschreiben .
Gruß dein Onkel
Julia Schattauer
Hallo Fritz, danke dir für die lieben Worte!
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Renate
Liebe Julia,
da werden auch bei mir Kindheitserinnerungen wach. Meine ältere Schwester hatte ein Zimmer mit diesen orange-rot-gelben Kreisen, rote Gardinen und einen ockerbraunen Teppich. Man wird fast blind oder zählt bei Langeweile die Anzahl der Kreise. Dazu gab es einen kleines Schafsfell als Teppich und Rattanblumenständer.
Liebe Grüße
Renate
Julia Schattauer
Liebe Renate,
das sind ja schöne Kindheitserinnerungen. Danke fürs Teilen!