Von Hennatattoos und Nähe
Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer
Ich halte meinen Arm ganz still, während die Linien auf meiner Haut entstehen. Die rotbraune Paste fühlt sich kühl an, eine Wohltat in der drückenden Hitze Delhis. Ich sitze auf einem kleinen Plastikhocker direkt an einer Kreuzung am großen Basar in Paharganj und lasse mir ein Hennatattoo malen. Autos, Roller und Karren drängen sich dicht an mir vorbei, die Luft ist stickig und staubig. Fasziniert beobachte ich, wie die feinen Muster entstehen. Für mich ist das Hennatattoo viel mehr als ein Urlaubssouvenir.
Ich bin vielleicht ein kleines bisschen hennasüchtig. Ich lasse mir bei jeder Gelegenheit die Haut verzieren, schaue auf den Märkten als erstes nach den Malerinnen. Ich komme aus keinem Urlaub ohne hennabemalte Hände heim, wohlwissend, dass meine unbeholfenen Handelversuche den Preis nicht wirklich von der Stufe der Touristenabzocke holen konnte.
Ich lief schon barfuß über die Khaosan-Road, um meinen frisch bemalten Fuß zu schützen, ich ließ mir eilig gekritzelte Blümchen von verärgerten Marokkanerinnen auf dem Djemaa el-Fna verpassen, weil ich den wirklich unverschämten Preis nicht zahlen wollte und selbst in Berlin saß ich geduldig auf mein Tatoo wartend am Maybachufer.
Ich mag den Style der Muster, fühlte mich immer ein bisschen hippiemäßig damit. Ein schöner Schmuck für einen tollen Sommer. Doch in Indien war die Hennamalerei mehr als das.
Mein erstes Mehndi in Indien ließ ich mir in Hampi malen. Hampi ist ein Weltkulturerbe, sehr touristisch, aber als wir da waren, war es wie ausgestorben. Zu heiß, keine Semesterferien und zwei Wochen davor waren mal wieder die Bagger da, die im Namen der Regierung kleine Lädchen der Anwohner abrissen, was regelmäßig passiert. Geschäftstüchtige Anwohner, die sich mit den Touristen ein bisschen Geld verdienen wollen, passen nicht zu den Auflagen einer UNESCO-Weltkulturstädte.
Ich lief also durch die kleinen Gässchen, fragte ein bisschen rum und erfuhr schließlich in einem Restaurant, dass die Schwester des Kochs gut im Malen sei. Ich wartete also kurz und nach wenigen Minuten kam sie mit Paste und einem schüchternen Lächeln auf mich zu. Sie war vielleicht 16 und offensichtlich gerade in der Küche beschäftigt gewesen. Sie trug noch ihre Schürze und ich nahm den Geruch von Knoblauch wahr.
Sie nahm meine Hand, überlegte kurz, bevor sie mit dem Malen anfing. Ihre Hand zitterte, als sie das Tütchen mit der Pflanzenpaste langsam über meine Handfläche gleiten ließ. Sie war nervös, hatte wahrscheinlich vorher noch keiner fremden Person ein Mehndi gemacht. Ich lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte es schüchtern.
Es war ganz still, wir redeten kein Wort, aus der Küche war das Klappern von Töpfen zu hören. Ich spürte den Atem auf meiner Hand, das Kitzeln ihrer Haare, wenn sie meinen Arm streiften. Ich merkte, dass sie nun ruhiger war, ganz konzentriert auf ihre Arbeit. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
Ich weiß, das klingt alles nicht wahnsinnig aufregend, nicht erwähnenswert, aber in Indien war es für mich ein ganz besonderer Moment.
Zuvor begegnete ich den Menschen stets in großen Massen, im Gedränge auf den Straßen, im Zug oder vielleicht nur kurz beim Bestellen oder an der Rezeption. Wir redeten meist mit Männern oder besser gesagt, die Männer redeten miteinander, ich wurde oft höflich ignoriert. Mit Frauen kam ich meist nur beim Einkaufen ins Gespräch. „How much is it“, „Thank you“, „Have a nice day“, mehr nicht. Ich fühlte mich fremd, den Menschen fremd und spürte es in ihren Blicken.
Wie wir zwei hier nun so einträchtig saßen, still zwar aber für den Moment verbunden, fühlte ich mich in Indien zum ersten Mal jemandem nahe. Ich fühlte keine Distanz, war nicht unsicher, wie ich mich verhalten sollte, sondern einfach nur ruhig und gelassen. Nach einer halben Stunde war sie fertig mit dem Muster, sie lächelte schüchtern aber aufrichtig und wir verabschiedeten uns.
In Delhi dann, auf dem Hocker mitten an der verkehrsreichen Kreuzung, saß ich wieder einem Menschen gegenüber. Ein junger Mann von vielleicht 18 Jahren versprach mir ein ganz besonderes Mehndi zu malen, detailreich und im typischen „Delhi-Stil“. Mit flinken Fingern fing er selbstbewusst an die Linie zu ziehen. Er war geübt und erzählte mir nebenbei, dass er das Hennamalen von seiner Mutter gelernt habe. Er plauderte ein bisschen über sein Leben, stelle mir Fragen, wir lachten und er zauberte nach und nach ein echtes Meisterwerk auf meinem Arm. Er war so unbedarft und gesellig und ich freute mich darüber, wie einfach es mir fiel mich wohlfühlen. Trotz Verkehr.
5 Kommentare
Herumtreiberin
Ich finde Henna-Tattoos soooo schön, aber leider bin ich zu ungeduldig. 🙁 Als Kind habe ich es im Urlaub mehrmals probieren dürfen, aber ich konnte nie lange genug still halten, dass die Farbe nicht verschmiert. :/
Julia Schattauer
Oh, das kenne ich sehr gut. Ich bin die Ungeduld in Person. 😉
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