Gegen den Winterblues: Ein Besuch in Lychen
Last Updated on 31. August 2021 by Julia Schattauer
Inhalt
Last Updated on 31. August 2021 by Julia Schattauer
Ich sitze in ein Handtuch gehüllt auf der Holzbank. Die Sonne geht gerade unter, mein Blick wandert über den See. Schweißperlen rinnen an meiner Stirn hinab und zum ersten Mal in diesem Jahr fühle ich die Wärme in meinem gesamten Körper und ich kann aufatmen. Ich habe nicht nur die Panoramasauna für mich alleine, sondern gleich den kompletten Wellnessbereich. Mehr Entspannung geht nicht.
Kleine Alltagsfluchten
Der Januar ist in seinen letzten Zügen und gibt sich noch einmal alle Mühe. Sogar in Berlin überzieht Raureif die Autoscheiben, es knirscht beim Laufen über den Grünstreifen, ab und zu lässt sich sogar die Wintersonne blicken. Doch spätestens Ende Januar ist es bei mir zuverlässig soweit: Der Winterblues macht sich bemerkbar. Anfang des Jahres bin ich noch damit beschäftigt, irgendwie aus dem Feiertagsferiengefühl herauszukommen und mich wieder zu motivieren. Ich versuche mich an ein paar Vorsätzen wie alkoholfreiem Januar und dann irgendwann kommt das Gefühl: Jetzt bin ich fertig mit Winter, ich bin bereit für Frühling. Spätestens wenn man dann beim Blick auf den Kalender und aus dem Fenster merkt, dass die Natur da noch anderer Meinung ist, kommt die schlechte Laune. Meine beste Medizin ist natürlich Urlaub. Schon oft habe ich den Februar und März in Asien oder Mexiko verbracht, doch das geht leider nicht immer. Dann muss es wenigstens eine kleine Alltagsflucht sein. Ich suche mir ein Ziel in der Nähe, ohne Anreisestress und sonstigen Anstrengungen und fahre raus. Dieses Mal fiel die Wahl auf Lychen in der Uckermark, im Norden Brandenburgs.
Seehotel Lindenhof
Ausschlaggebend für meine Wahl war das Seehotel Lindenhof. Die Homepage präsentierte mir genau das, was ich gerade suchte. Ruhe, keine große Ablenkungsmöglichkeiten und eine Sauna. Das Besitzerpaar Monique Tomacka und Michael Stein lerne ich kurz kennen, sie sind gerade im Abreisestress auf dem Weg nach Neuseeland. Da bin ich zwar ein wenig neidisch, doch für mein Ziel, ein wenig Ruhe und Erholung zu bekommen, bin ich hier im Seehotel genau richtig. Als ich mein Zimmer aufschließe, bin ich überrascht. Neben einem großzügigen Wohnzimmer mit Balkon gibt es eine Galerie mit Schlafbereich. Das Haus ist im gemütlichen und vor allem individuellen Landhausstil eingerichtet. Der Restaurantbereich ist hell und bietet einen Panoramablick auf den See. Im Sommer kann man auf der Seeterrasse speisen, im Winter wahlweise im Saal, Wintergarten oder Kaminzimmer essen. (Übrigens: das Hotel ist auch bei Booking)
Das Hotel liegt auf einer Halbinsel am Wurlsee. Eine Bootsanlegestelle mit Steg, der im Sommer zum Verweilen einlädt und ein separates Häuschen mit Sauna, Regendusche, Fußbädern und Ruhebereich gehört zum Anwesen, genauso wie eine Liegefläche und exklusiver Zugang zum See. Dem 1923 erbauten Lindenhof gaben die Linden seinen Namen, die hier gepflanzt wurden und nun seit fast 100 Jahren ihren Schatten spenden. Aus der Sommerpension wurde in der DDR eine Ferienanlage, die aber nicht für die Allgemeinheit zugänglich war. Nach der Wende wurden die Gebäude in den 1990er-Jahren verkauft, doch die alten Gebäude waren zu marode und mussten abgetragen werden. Stattdessen wurde ein Neubau errichtet. Seit 20111 ist das Seehotel Lindenhof nun in der Hand der aktuellen Besitzer, deren Handschrift überall zu erkennen ist. Der Tisch samt Stuhl im Eingangsbereich war ein Geburtstagsgeschenk an seine Frau, erzählt mir Michael Stein. Sogar die Bilder, die hier hängen wurden von Monique Tomacka selbst gemalt. Statt Einheitsbrei gibt es familiäre Wohlfühlatmosphäre. Hier kann man es aushalten.
Entspannung am Wurlsee
Von den sieben Seen rund um Lychen ist der Wurlsee vielleicht der schönste. Rund 95 Hektar Wasserfläche, rundherum Wälder, Wiesen und Hügel. Das Besondere ist das klare Wasser, denn der See wird aus unterirdischen Quellen gespeist. Angeblich soll der Wurlsee im Sommer in intensiven Türkis erstrahlen. Davon muss ich mich unbedingt selbst überzeugen. Was ich aber jetzt schon sagen kann: Von der Panoramasauna aus sieht der See im winterlichen Eisgewand ganz zauberhaft aus, fast schon mystisch. Während ich hier in der Sauna sitze, ist die Stadt mit meinem Alltag ganz weit weg.
Ich verbringe meine Zeit im Hotel vor allem auf der Couch. Ich lese, schreibe Tagebuch, mache Pläne, die ich im Notizbuch festhalte. Ich gönne mir ein, zwei Stunden sinnfreies glotzen und nutze ausgiebig die Sauna und den Ruheraum. An den Abenden darf ich mich von der hauseigenen Küche überzeugen. Ich bekomme wunderhübsche Amuse bouche serviert, einmal ein Miniwaldorfsalat mit Pomelo, einmal Tomate-Mozzarella-Pesto und teste sowohl die Camembert-Ecken als auch den bunt gemischten Salat, der mit Obst und Gemüse besonders erfrischend schmeckt. Ich schlemme mich durch cremiges Quinoa und esse Kartoffeln mit Käse, Trüffelöl und Mango. Als Abschluss gönne ich mir am zweiten Abend das Dessert, das sich zunächst sehr extravagant liest: „Gefrorene Ziegenfrisch-käsecreme mit Olivenöl, Limette, Orange und rosa Pfeffer“. Auf den Tisch kommt dann eine fruchtige Nachspeise, die nicht zu süß und mächtig und damit genau nach meinem Geschmack ist.
Spaziergang in die Flößerstadt Lychen
Am zweiten Tag gehe ich spazieren. Die Morgensonne strahlt schon kräftig über dem Wasser. Durch den Wald gehe ich vorbei am See in Richtung Lychen. Ich komme vorbei an freistehenden Villen, an der Stadtmauer, kleinen Gässchen mit Fachwerkhäusern. Daneben gibt es typischer DDR-Architektur mit Leuchtreklame, aber auch Backsteinhäuser, das Rathaus im barocken Stil und eine frühgotische Kirche. Es ist eine eigentümliche Mischung, die die Geschichte der Stadt ganz bildlich zur Schau stellt. Mein Weg führt an den Ufern der anderen See vorbei und ich kann mir vorstellen, wie belebt die nun im Winterschlaf liegenden Bootsanlegestellen im Sommer sind. Doch gerade diese Ruhe außerhalb der Touristensaison macht diesen Ort gerade jetzt ganz besonders.
Am Rathaus kann ich lesen, dass erste Siedlungsspuren bis ins Jahr 8000 bis 3000 v. Chr. zurückgehen. Im frühen Mittelalter stritten sich slawische Stämme mit Deutschen, Polen und Dänen. Die Stadtgründung erfolgte im Jahr 1248. Bis ins 19. Jh. waren die Bürger der Stadt vor allem im Ackerbau und Handwerk tätig. Vor allem der Fischfang und die Flößerei brachten das Geld ein. Ein Besuch im Flößereimuseum gibt Einblicke in diese Zeit. Ende des 19 Jh. gab es grundlegende Änderungen: Der Bau der Chaussee Templin – Lychen 1891 und der Eisenbahnlinie Templin – Fürstenberg 1899. Nun konnten auch die gestressten Großstädter zur Erholung kommen und der Tourismus wurde zur wichtigen Einnahmequelle.
Aufschwung brachte allerdings vor allem der Bau der Heilstätten Hohenlychen im Jahr 1895. Die Heilstätten feierten Erfolge in der Lungenheilkunde und Orthopädie. In der NS-Zeit wurde das Klinikum zum Erholungsort für die höchsten Parteifunktionäre. Im Besuchsbuch stehen neben Hitler selbst, Namen wie Himmler und Heß. Im Krieg wurde das Krankenhaus als Lazarett genutzt, ebenso nach der Übernahme durch die sowjetische Besatzungsmacht. Nach der Wende wurde das Gelände geräumt und fiel in einen Dornröschenschlaf. Nun wird das Anwesen saniert. Ein Besuch in Lychen, das seit 1995 staatlich anerkanntes Naherholungsgebiet ist, lässt sich hervorragend mit mit Ausflügen in die Natur der Uckermärkische Seenplatte oder anderen Städtchen der Region verbinden. Wie wäre es mit einem Besuch im 20 km entfernten Templin inklusive Therme? Aber auch die Wasserstadt Fürstenberg/Havel, die auch Ziel bei Anreise mit der Bahn ist, ist sehenswert. Ideal ist die Gegend auch für Erkundungstouren mit dem Rad. Es muss ja nicht gleich der Fernradweg von Berlin nach Kopenhagen sein, der hier vorbeiführt.
Ich konnte in Lychen und dem Seehotel Lindenhof ganz hervorragend entspannen und Kraft für den restlichen Winter tanken. Auf dem Heimweg sehe ich vom Zugfenster aus unzählige Kraniche auf den Feldern. Die ersten Frühlingsboten! Mein Herz hüpft.
Transparenzhinweis: Ich wurde für zwei Nächte eingeladen.
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