Zwischentief am Traumstrand: Mein Sri-Lanka-Tagebuch (3)
Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer
Es ist zwangsläufig so: Wenn man allein ist, ohne Ablenkung, dann schwappen die Gedanken an die Oberfläche. So ist es auch beim Alleinereisen. Wenn man nicht gerade im Hostel ist und ständige neue Leute kennenlernt, sondern mal wirklich alleine ist, dann kommt das Grübeln. Ich habe es gestern schon gemerkt, als ich nicht einschlafen konnte und dann heute Morgen, als ich irgendwie schlecht gelaunt aufgewacht bin. Als ich dann am Strand saß, der schöner nicht sein konnte, und die Kinder bei den ersten Schnorchelversuchen beobachtete, da schlichen sie sich in meinen Kopf: Die großen Fragen.
Wo sehe ich mich selbst in sagen wir fünf Jahren? Was will ich noch erreichen? Bin ich glücklich? Damit einhergehend eine große Unzufriedenheit und Depristimmung hoch zehn. Vor Existenzfragen schützt auch der schönste Strand nicht. Im Gegenteil: Wenn man an einem so wundervollen Ort ist und in einem drin trotzdem spürt, dass es gerade nicht das große Glück ist, dann merkt man das noch viel mehr.
Sri Lanka hat mich in den letzten Tagen überwältigt. Ich glaube es war Liebe auf den ersten Blick und doch kommt der kleine Fall früher als gedacht. Und der hat nichts mit dem Land zu tun, das begeistert mich wie am ersten Tag.
Für Momente wie diesen kleinen Tiefpunkt bin ich hier. Ich bin alleine so weit weg, um all diese Gefühle von Unzufriedenheit, Zweifel und Sorgen an die Oberfläche zu spülen. Wenn da plötzlich keine Ablenkung mehr ist, nur noch man selbst, ungefiltert, dann kann das ganz schnell gehen. Ich will nicht theatralisch sein. Ich habe weder eine Lebenskrise, noch die Reiselust verloren. Mir geht es auch nicht schlecht, aber doch weiß ich schon lange, dass mein momentaner Zustand, meine Lebensphase, genau das ist: Eine Phase. Und langsam wird es Zeit für Veränderung.
Ich bin nicht nur hier, um ein paar faule Tage am Strand zu verbringen. Ich bin hier, um mich mit mir auseinanderzusetzen. Ich will es nicht Selbstfindung nennen, auch wenn es das schon irgendwie trifft. Ich könnte sagen, ich bin auf der Suche. Nach mir selbst und meinem Weg. Doch ich nenne es lieber ganz pragmatisch „Bestandsaufnahme“.
Ich bin hier, um in aller Ruhe in mich hineinzuhören. Wobei das zu aktiv klingt, es ist eher so: Ich sitze oder laufe und warte, was in meinen Kopf, in mein Herz sprudelt und versuche das so gut wie möglich wahrzunehmen. Nur über Emotionen kommen wir an den Kern der Dinge.
Wenn im Alltag die Sinne gedämpft sind, die Hektik groß oder die immer gleichen Abläufe die Wahrnehmung trüben, dann muss man eine Auszeit nehmen. Und das ist Sri Lanka für mich. Es ist keine Auszeit a la Digital Detox. Ich bin hier nicht asketisch. Ich will nur ganz bewusst Zeit mit mir verbringen. Schreiben. Und zwar über das, was ich gerade will.
Und wenn der Prozess beginnt, dann kann das auch einmal schmerzhaft sein oder deprimierend. Ich versuche all die Dinge auf eine innere Liste zu setzen, die mich nicht zufriedenstellen. Das betrifft momentan vor allem meine Arbeit. So sehr ich die Freiheit genieße, so fühle ich mich doch nicht angekommen. Ich brauche keine klassische Karriere, aber was ich doch brauche ist Austausch und Anerkennung. Ich will Kollegen, ein Team, neue Projekte, Verantwortung, Zusammengehörigkeit. Ich will Neues lernen, wachsen. Wie auch immer das im Detail aussehen mag.
Auf die Liste kommt auch der Blog. Denn ich schwanke stets wischen aufhören, umorientieren oder einfach laufen lassen. Diese Phase des Dazwischens hält schon länger an. Ich habe mir schon dutzendfach den Kopf zerbrochen, was ich denn eigentlich so genau will; was mich wirklich glücklich machen könnte. Es sind viele weitere Dinge, die es kritisch zu hinterfragen oder hinterfühlen gilt. Und darauf lasse ich mich jetzt ein. Ich will nicht länger abwarten, sondern anpacken, umgestalten, aktiv werden. Ich will weder mich noch mein Leben optimieren, ich will es einfach nur ein wenig in die richtige Bahn lenken. Ein paar Weichen umstellen. Wohin die Reise geht? Keine Ahnung.
Selbstreflexion ist nervenaufreibend und ich kann sie nicht erzwingen. Manchmal denke ich und denke und kann doch nicht greifen Dann bleibt nur ein ungutes Gefühl. Und manchmal, wie heute am Strand, da schwappt es über. Schmerzlich und stechend und doch mit gutem Gefühl am Ende. Ich freue mich, weil es die Erkenntnisse sind, die mich weiterbringen.
Während ich die Zeilen nun am PC tippe, geht es mir wieder so richtig gut. Der kleine Tiefpunkt am Morgen hat mich ein wenig wachgerüttelt, mich sensibilisiert. Antworten auf meine Fragen habe ich natürlich nicht, aber das hat keine Eile. Es ist ein Prozess der Zeit braucht und nichts, was sich von heute auf morgen ändert. Als ich grade noch etwas betröppelt im Zimmer ankam, schrieb mir eine Freundin und Bloggerkollegin aus Berlin, ob es mir gutgehe. Manchmal haben Freunde den sechsten Sinn. <3
Was bisher geschah:
8 Kommentare
Nina
Toller Artikel! Viele Leute denken mit der Flucht weg von zu Hause, sei es durchs Reisen oder auswandern, entkommen sie auch ihren Ängsten, ihrem Stress, ihren Problemen. Das ist mitnichten so. Nur auseinander setzen damit macht Sinn um weiterzukommen. Vielen Dank für den ehrlichen Einblick in deine Gedanken. Lg, Nina
Julia Schattauer
Liebe Nina,
das sehe ich ganz genauso. Und es ist ja auch wichtig, dass man solche Momente zulässt.
LG julia
Imke
Hallo Julia,
ein schöner Artikel, weil er so ehrlich ist! Ich finde es wichtig, dass man sich ab und zu die Zeit nimmt, in sich hinein zu horchen. Auf der anderen Seite merke ich an mir selber oft, dass meine Lebenswünsche auch untereinander im Konflikt stehen und ich am Ende des Tages manchmal gar nicht so genau weiß, was ich jetzt will. Dazu hab ich auch mal ein ganz spannendes Buch gelesen mit dem vielsagenden Titel „Wir haben (k)eine Angst“ 😉
Liebe Grüße
Imke
Julia Schattauer
Liebe Imke,
das kann ich so verstehen ;).
Oh, und danke für die Buchempfehlung, das kommt auf meine Liste!
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