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Europa,  Gedanken,  Kolumnen,  Pfalz: Krawwelkatz

Da komm ich her – E Pälzer Märe

Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer

Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer

Meine Haare wehen im Fahrtwind, mit der einen Hand halte ich mich an der Eisenstange fest, mit der anderen greife ich das Halsband unseres Hundes,  aus Sorge, dass er aufspringt. Was er aber nicht tut, da er die Fahrt genauso genießt wie wir. Ich erinnre mich so gut an diesen Moment. Nicht nur weil wir davon ein Bild im Fotoalbum haben, sondern weil ich genau weiß, wie schneidend der Wind in den Augen war, wie zerzaust sich meine Haare danach anfühlten. Die Wangen gerötet, ein Strahlen im Gesicht. Wir waren vielleicht zwischen acht und zwölf Jahre alt. Mein Bruder Marco und ich durften mit unserem Mischlingshund Moritz auf dem Autoanhänger mitfahren. Wir sausten mit meinem Vater über den Feldweg zum Spielplatz, um Holz abzuladen. Irgendwo wurde im Dorf immer gebaut und mein Papa war als Mitglied im Gemeinderat stets mit von der Partie. Kurze Zeit später wurde er zum Bürgermeister gewählt und ist es mittlerweile seit mehr als 18 Jahren.

Meine Heimat das ist ein winziges Dörfchen namens Kalkofen. Es hat um die 180 Einwohner und liegt verwunschen am Rande der Nordpfalz zwischen dem Alsenz- und Appeltal. Auch das wird den meisten nicht viel sagen. Ich erkläre es immer so: Ich komme aus der Pfalz, genau aus der Mitte zwischen Mainz und Kaiserslautern. Ne gute Stunde von Frankfurt weg. Das sorgt für grobe Orientierung. Die Nordpfalz ist nicht so flach wie die Südpfalz, der Wein ist bei uns nicht ganz so gut. Dafür haben wir tolle Hügel und Wälder und jede Menge Ruhe und Natur.

Kalkofen, das ist ein Mini-Dorf wie es im Buche steht. Eine Hauptstraße, eine handvoll Nebensträßchen. Heute gibt es keine Geschäfte mehr, keine Schule, kein Kindergarten. Eine ehrenamtlich betriebene Dorfkneipe öffnet jeden Freitag. Doch ich hatte nie den Eindruck, dass Kalkofen ein verschlafenes Nest ist, in dem nichts passiert. Ich war schon als kleines Kind immer mit eingebunden ins Dorfleben. Das Krippenspiel zur Weihnachtszeit, Flötengruppe, später Gitarre. Meine Freizeit verbrachte ich im Stall bei Schweinen und Pferden. Als Jugendliche gingen wir zu den „Kerweborsch“, die Dorfjugend, die das jährliche Dorffest mitgestalten. Wir waren eine eingeschworene Gruppe, die Hälfte der rund 10 Aktiven war sowieso mit mir verwandt. Wir, das waren mein großer Bruder, mein Cousin und ein Kumpel, manchmal meine kleine Cousine. Wir heizten mit Mofas über die Feldwege, saßen im Sportheim oder in unserem kleinen Jugendraum zusammen. Hier wurde geraucht und getrunken und wir frönten den lauten Klängen von Metal. Später, als wir die ersten Freunde und Freundinnen hatten, ging es in die umliegenden Dörfer und später auch mal am Wochenende nach Kaiserslautern oder Mainz.

Aus der Pfalz in die Welt

Manche von uns fanden eine Ausbildungsstelle in der Nähe, hatten Freund oder Freundin aus der Gegend und andere verschlug es in die Ferne. So auch mich. Mit meinem damaligen Freund zog ich nach München zum Studieren. Nach fünfeinhalb Jahren weiter nach Berlin. Ich verliebte mich in das Reisen und lernte wunderschöne Orte auf der Welt kennen. Doch nach all der Zeit gehört meine Heimat noch immer eng zu meinem Leben. Ich bin oft zu Besuch, helfe bei Festen mit und spätestens seit meine Nichte auf der Welt ist, kann ich es kaum erwarten mich in den Zug gen Heimat zu setzen. Und auch wenn ich bis heute nicht ganz in mein Dorf zurückgekehrt bin und auch noch nicht weiß, ob ich es wieder tue, ist und bleibt Kalkofen meine Heimat. Der Ort, wo meine Familie ist, wo ich ganz einfach zu Hause bin. Heimat ist für mich da, wo ich mich nicht nur oberflächlich zurecht finde, sondern jeden Weg und jedes Haus kenne. Das ist dort, wo Orte mit Erinnerungen verknüpft sind, wo ich Geschichten in- und auswendig kenne. Klar, wer in Berlin groß wird oder München, hat ganz andere Möglichkeiten. Das Angebot an Kino, Kneipen und Mobilität kann man nicht vergleichen. Aber auch im Umkreis von Kalkofen kann man doch einiges erleben, anschauen und tolle Orte zum Wohlfühlen finden. Hier kommen nun also ein paar Tipps für alle, die es mal in diese unbekannte Ecke verschlägt.

Meine Tipps für Kalkofen und die nähere Region bis Mainz und Kaiserslautern

In meinem Dorf selbst gibt es keine Sehenswürdigkeiten. Hier gibt unser Dorffest am zweiten Wochenende im September und immer wieder kleine Feste. Sonst gibt es einen großen Wald, in dem man auf Reste der damaligen Steinbrüche stößt, in denen wir als Kind gespielt haben. Es gibt eine Anhöhe mit Windrädern, von wo aus man einen schönen Panoramablick hat. Aber das war es auch wirklich. Doch im Umkreis gibt es durchaus einiges zu entdecken. Wie wäre es mit einer Wanderung auf die Ruine der Moschellandsburg? Von hier oben hat man einen wunderschönen Blick über die Region. Und wenn wir beim Wandern sind: Durch die Gegend führt der Pfälzer Höhenweg, den ich auch schon selbst gewandert bin. Unter anderem führt er auch zum höchsten Berg und Namensgeber des Landkreises, dem Donnersberg mit nicht einmal 700m. Hier oben lässt es sich schön wandern, die Spuren der Kelten erkunden (Donnersberg geht auf den Keltengott Donar zurück) und im Winter rodeln.

Blick vom Donnersberg am Adlersbogen

Kulinarische Tipps

Weinbrück, Obermoschel

Das Restaurant Weinbrück gehört zu meinen Favoriten in der Gegend. In einem wunderschönen alten Weinkeller in der kleinsten Stadt in Rheinland-Pfalz, Obermoschel, gibt es gehobene Küche mit regionalem Bezug. Eine vegetarische Variante gibt es immer, auf Wunsch kann auch vegan gekocht werden.

Alsenzer Hof, Alsenz

Im Alsenzer Hof gibt es Haute-Cusine vom Feinsten. Die Besitzer haben beide bei Johann Lafer in der Stromburg gelernt. Und das merkt man! Unbedingt reservieren!

Süffig: Pfälzer Wein und Bier

Pfalz und der Wein, das geht natürlich nicht ohne! Mein erster Tipp ist, wie kann es anders sein, unser Dorfwinzer. Gert Becher bietet soliden und günstigen Wein direkt aus meinen Heimatdorf an. Davon stehen immer mehrere Flaschen in meinem Regal und dürfen als Mitbringsel auf keiner Party fehlen. Mein Favorit: Der Blanc de Noir.

Der zweite Tipp geht nach Niedermoschel ins Weingut Keller. Der Jungwinzer Timo Keller gehört zu den Naheweinrebellen und sorgt dafür, dass die Weingüter in die nächste Generation finden, besser und erfolgreicher als je zuvor.

Der dritte Weintipp ist das Weingut Hahnmühle in Mannweiler-Cölln. Es ist eines der besten in der Gegend. Definitiv ausprobieren.

Schnorres, das Bier der Pfalz

Da wir Nordpfälzer aber genauso gerne Bier trinken, darf auch ein Biertipp nicht fehlen. In Winnweiler bin ich zur Schule gegangen, auf die gleiche wie Mark Forster übrigens, und dort befindet sich die alteingesessene Bischoff-Brauerei. Es war also ein mutiges Unterfangen hier im elterlichen Keller ein eigenes Bier zu brauen. Mittlerweile hat sich das Craft-Bier namens „Schnorres“ zum echten Erfolgsprodukt gemausert. Wie wäre es mit einem Bier-Tasting direkt in der Brauerei in Mehlingen? Sonst trifft man sich mittwochs in der Bierschänke in Winnweiler auf ein kühles Schnorres.

Die schönsten Städte der Umgebung

Bad Münster und Bad Kreuznach – Brückenhäuser und Burgen

Der Kurort Bad Münster gehört schon nicht mehr zur Pfalz, sondern schon knapp zu Rheinhessen. Das sehe ich aber nicht so eng, da wir uns wie gesagt sehr nahe an der Grenze befinden. Als erstes fallen hier zwei Dinge auf, die imposante Ebernburg, die auf einem hohen Felsen thront und der Rotenfelsen, die höchste Steilwand nördlich der Alpen, die sich über dem Fluss Nahe erhebt. Über eine Winterwanderung auf dem Rotenfelsen habe ich für das tolle Buch „Deutschland im Winter“ vom Reisedepeschen Verlag geschrieben. Auch die Ebernburg ist einen Besuch Wert oder die Wanderung zum Rheingrafenstein auf der anderen Naheseite. In Ebernburg, einem Ortsteil von Bad Münster, wo auch die gleichnamige Burg steht, findet im September immer der Mittelaltermarkt statt. Am Ufer der Nahe befindet sich das Kurgebiet. Man kann schön am Flussufer spazieren, mit dem Tretboot fahren und in Cafés einkehren.

Das nahegelegene Bad Kreuznach ist durch seine Brückenhäuser bekannt. Sie stehen direkt auf der Brücke und sind das Fotomotiv der Stadt schlechthin. Unter der Brücke am Ufer kann man schön sitzen oder eine Kanutour oder SUP mit „Nahe erleben“ machen. Im August lädt der Jahrmarkt auf die Pfingstwiese nach dem Motto „Nix wie enunner“ – das Highlight des Jahres. Wer entspannen will, kann dies in den Curcenia-Thermen mit Solewasser tun oder im Bäderhaus mit Saunen und Dampfbädern.

Meisenheim

Meisenheim ist ein kleinen Städtchen am Glan. Das Besondere: Die Altstadt von Meisenheim ist fast unbeschadet aus dem 14. Jahrhundert erhalten. Wenn man über die Glanbrücke läuft, passiert man die ehemalige Grenze zwischen Preußen und Bayern. In der Altstadt gibt es die spätgotische Schlosskirche zu bestaunen, in der einige Pfalzgrafen begraben sind, unter anderem die Vorfahren von Maximilian I., dem ersten König von Bayern und Begründer der Wittelsbacher Königslinie.

Kaiserslautern – Das Herz der Pfalz

Auch wenn der Fußballclub 1.FCK keine positiven Schlagzeilen mehr macht, die Zeiten sind leider vorbei, lohnt sich ein Ausflug nach Kaiserslautern. Hier herrscht dank der stationierten US-Amerikaner auf der Air Base internationales Feeling, was man vor allem abends in den Kneipen und Discotheken merkt. Tagsüber kann man in Kaiserslautern in den Japanischen Garten oder auf das Gelände der Gartenschau mit Dinosauriern gehen.
Mein Lieblingsort ist allerdings ein Café, das Café Susann direkt am Stiftsplatz. Besitzerin Maike ist so herzlich, dass einfach immer gute Stimmung herrscht. Es gibt täglich wechselnde Mittagsgerichte, super Frühstück und es wird Wert auf regionale und saisonale Produkte gelegt. Eine Empfehlung von Herzen.

Für das Kulturprogramm ist das Pfalztheater zuständig. Dafür lohnt sich der Blick ins Programm. Sonst lohnt sich der Besuch in den Kneipen und das jährlich stattfindende AStA Sommerfest  der TU Kaiserslautern mit verschiedenen lokalen Bands.

Mainz – mehr als Fassenacht

Rheinland-Pfalz ist Fassenachtsland. Das spielt bei meinen Tipps allerdings gar keine Rolle. Was ich euch stattdessen empfehlen möchte ist der Wochenmarkt. Hier ist es einfach nur gemütlich. Drei Mal wöchentlich, rund ums Jahr, findet einer der ältesten und schönsten Märkte Deutschlands mitten im Stadtzentrum rund um den Dom statt.

Was man ebenfalls nicht verpassen sollte, sind die Chagall-Fenster, die nicht im Dom, sondern in der Kirche St. Stephan bewundern werden können. Die Atmosphäre ist durch die blauen Fenster einfach wunderschön. Und natürlich gibt es von mir noch einen Essenstipp: Das Möhren Milieu in der Neustadt, nicht weit vom Bahnhof. Hier gibt es veganes Essen und Trinken und ein gemütliches Interieur aus upgecycelten Möbeln.

All das sind nur ein paar der Dinge, die man in der Region rund um das kleine Kalkofen unternehmen kann. Meine Heimatliebe geht übrigens so weit, dass ich ein kleines Printmagazin namens Krawwelkatz ins Leben gerufen habe. Es handelt von Pfälzern weltweit, von tollen Orten und interessanten Menschen. Schaut doch gerne mal auf die Website.
Dieser Artikel ist im Rahmen der Blogparade „Da komm ich her: Meine Roots“ von Sandra von „Tracks and the City“ entstanden. Schau mal ihre Roots an und alle weiteren Artikel, die in diesem Rahmen entstanden sind.

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