The Sound of India. So klingt Indien.
Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer
„Quirlig“, „geschäftig“, „lebendig“. Wer einmal in Indien war, der weiß, was er unter diesen nett gemeinten Beschreibungen zu verstehen hat.
Quirlig, geschäftig und lebendig stehen nämlich für nichts anders, als Chaos, Lärm und Menschenmassen. Dass Indien eine Herausforderung für alle Sinne ist, wird schnell klar.
Der Duft von frisch gebackenem Chapati mischt sich mit Abwasserpfützen, der einträchtige Lobgesang an die Götter mit energischem Hupen und neben prächtigen Ganeshatempeln häufen sich die Müllberge. In Indien gibt es alles, davon zu viel und alles gleichzeitig. Das ist beängstigend, nervig und immer wieder wunderschön.
Die Geräusche und Gerüche bleiben ganz besonders in Erinnerung. Der Geruch beim indischen Restaurant um die Ecke, der Klang von indischen Liedern löst unweigerlich Flashbacks aus. Körper und Geist springen sofort darauf an.
Was vielleicht als allererstes auffällt, ist der Geräuschpegel. Straßenlärm übertönt Gesänge. Das Muhen der Kühe verbindet sich mit den Rufen der Marktschreier.Der Sound von Indien ist so eigen, so anders als in anderen Ländern. Er ist fremd und überwältigend und manchmal geht er ganz tief unter die Haut.
Indien. Extremely loud and incredibly close. Teil 1: The Sound of India
STRASSENVERKEHR
Was einem meist als erstes nicht wörtlich, sondern akustisch überrollt, ist der Straßenverkehr. Taxis drängen sich mit Bussen, Lkws, Rollern und TukTuks auf den Straßen. Dazwischen Fußgänger, Ochsenkarren, Kühe und Radfahrer.
„Horn, please“. Hupen heißt „Hier bin ich. Achtung, ich fahre an dir dabei. Mach mal schneller. Hallo, wie geht es? Hey, ich hab ne Hupe“. Hupen ist nicht das letzte Mittel, um kurz vor dem möglichen Aufprall eine Warnung auszustoßen: Hey, pass auf.
Nein, Hupen gehört zum indischen Straßenverkehr wie die Berge zu Bayern.
Selbst wenn die Straßen leer aussehen, sich lediglich zwei, drei Autos über die Straßen schlängeln, ist es trotzdem gleich, wie heißt es so schön, „geschäftig“ auf den Straßen. Jeder fährt so weit vor, wie er kann, dann wird gehupt. Alles andere regelt sich dann irgendwie.
Der indische Straßenverkehr ist unterhaltsam, verstörend und lässt einen manchmal an Wunder glauben. Man hat das Gefühl, es passiert viel weniger, als passieren müsste und doch ist der Straßenverkehr vor allem auch eines: gefährlich. Und natürlich laut.
ZÜGE UND BUSSE
In Bussen erwartet einen das, was du oben schon gelesen hast: Hupen, Motorengeräusche, Leute auf der Straße. Dazu kommt, vor allem in den gut ausgestatteten Fernbussen, die nach indischen Verständnis grandiose Soundanlage im Bus. Entweder wird man nur mit dem rhythmisch ungewohnten Singsang des indischen Pops beschallt oder auch noch zusätzlich mit Bildmaterial beglückt.
Indische Bollywoodfilme sind ein Spektakel. Farben, dramatische Handlung, Musik – das Gesamtpaket ist atemberaubend oder zumindest sinnesbetörend. Versprochen. Leiser drehen, flüchten, das geht nicht. Kleiner Tipp: Ohrstöpsel nicht vergessen.
Wenn du Glück hast, bekommst du auch in den Zügen musikalische Hintergrundmusik passend zu deinem persönlichen Bollywooderlebnis. Irgendjemand findet sich immer, der mit dem Handylautsprecher für Stimmung sorgt.
Jetzt mal ganz ohne Ironie und Augenzwinkern: Vielleicht hast du Glück und in deiner Nähe sitzen Leute, die selbst eines der traditionellen Liedern zum Besten geben. Gänsehaut pur.
Eine indische Zugfahrt ist wie ein Jahrmarkt. Man kann gar nicht genug sehen und hören. Das Rattern des Wagens, Gesang, Gespräche und vor allem die Verkäufer sorgen für eine einmalige Geräuschkulisse. „Chai, Chai“, „SamosiSamosiSamosi“, die Auswahl der Waren ist unbeschreiblich und der Sound, mit dem die Verkäufer ihre Waren ankündigen, bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Kopf.
Wenn der Zug durch einen Tunnel fährt, fangen übrigens alle an zu rufen und zu jubeln. Alle schreien und freuen sich über das Echo im Tunnel.
RELIGION
Neben den nervtötenden gibt es auch wirklich unglaublich magische Geräusche in Indien. Vor allem dann, wenn es um Religion und Spiritualität geht. Das Flair der abendlichen Ganga Aarti ist unbeschreiblich und die religiösen Rituale, begleitet von Gesang und Gebeten, sind wunderschön anzusehen. Man ist inmitten von Menschenmassen und unweigerlich teil einer ganz besonderen Zeremonie. Die Geräuschkulisse strotzt vor Spiritualität, die Menschen sind glücklich und das färbt ab. Richtiges Gänsehautfeeling.
Die Stimmen aus den Tempeln prägen ebenso das tägliche Leben in Indien. Über Lautsprecher werden Gebete in die gesamte Stadt verbreitet, so dass möglichst viele Menschen daran teilhaben können. Sie übertrumpfen Straßenlärm und Marktschreier. Auch in den buddhistischen Zentren im Norden der des Landes füllten die Mönche die Luft mit ihrer Musik, wenn auch etwas leiser und irgendwie bedächtiger.
Die rituellen Waschungen der Hindus im Ganges sind religiöse Handlungen, die einen ganz einzigartigen Sound haben. Das vergnügte Planschen der Kinder, das rhythmische Auf- und Abtauchen der Ewachsenen, das sind Geräusche, die mir bis heute ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
TIERE
Das Muhen der Kühe ist das Geräusch, an das man sich am schnellsten gewöhnt. Kühe sind einfach überall: in den Straßen, auf dem Feld, manchmal in den Häusern. Doch es gibt viel mehr Tiere, die nicht nur das Bild der Stadt prägen, sondern auch mit ihren Geräuschen immer präsent sind. Das sind vor allem die Affen, aber auch Schweine, Vögel, Hunde, Ziegen und Insekten. Manchmal schwirrt die Luft regelrecht von dem ganzen Gezirpe.
GOA
Für mich hat Goa einen ganz eigenen Sound. Goa hört sich nach Trommeln an, Verkäuferinnen am Strand, nach Gitarren, nach Trance- und Goa-Musik. Aber auch nach Wind in den Palmen und nach Meer.
Indien ist für alle Sinne betörend! Wie Indien riecht? Das erzähle ich euch das nächste Mal.
10 Kommentare
Fräulein Julia
Schon wieder so ein treffender Text 🙂
Was ich nicht gedacht hätte: Das ich bei jedem Vorbeigehen an indischen Restaurants ein Flashback bekomme. Es reicht ein Hauch von diesem ganz bestimmten Geruch und ich hab schnell wieder das monotone „ChaiChaiChaiChaiChai“ im Ohr, ohne das es ja keine Zugfahrt in Indien gibt. Solche Erinnerungen versöhnen mich schnell mit dem Land – denn wenn ich dort war, war ich oft froh, die Zimmertür hinter mir schließen zu können und dieses unfassbare Getümmel draussen zu lassen…
Julia von Kalkofen
Danke, Julia, für deinen Kommentar. Ich finde es auch verrückt, wie sensitiv man doch ist. Man riecht etwas und hat sofort einen Klang in den Ohren. Mir macht das manchmal richtig Gänsehaut.
Judith Lu
Toller Blogeintrag und super tolle Bilder!!
http://frombudapesttoseoul.blogspot.com
serkant
Dein Beitrag ist klasse!!
Die Mama mit dem Obstkorb am Anjuna Beach,super nett !! Ich treffe Sie seit 14 Jahren !!
Klasse Photos. Indien ich komme !!
Julia Schattauer
Danke, für dein Lob. ich habe auch schon wieder Sehnsucht nach Anjuna 🙂
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