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Allein reisen,  Kolumnen,  Reisegeschichten

Alleine reisen: Einsamkeit ist relativ

Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer

Last Updated on 12. Mai 2021 by Julia Schattauer

Nizza alleine reisen

Heute erst bin ich in Nizza gelandet, habe meinen Rucksack in mein Hostelzimmer geworfen und mich direkt auf den Weg gemacht. Ohne Plan, dafür mit viel Euphorie laufe ich durch die Straßen. Ich liebe das erste Erkunden der Umgebung. Erste Eigenarten entdecken, neue Gerüche wahrnehmen, innere Landkarten ausmalen. Das Aneignen der Orte ist mein liebster Teil auf Reisen.

Ich bin zum ersten Mal alleine unterwegs. Klar, als Freelancer bin ich auch in Berlin viel auf mich gestellt. Ich arbeite meist alleine und habe kein Problem damit, allein in Cafés zu gehen, ohne Begleitung Museen zu besuchen oder stundenlang allein im Zug zu meinen Eltern zu fahren. Aber zum ersten Mal bin ich ohne Reisepartner im Urlaub. Oder zumindest, so etwas ähnlichem, denn meine Arbeitswoche habe ich mit nach Nizza genommen. Ich muss Artikel schreiben, Social Media managen, Freigaben abwarten und E-Mails checken.

Alleine die Stadt erkunden? Kein Problem!

Ich mache mir Sorgen, dass ich mich einsam fühle, meine Reise nicht genießen kann, dass ich mich nicht zurecht finde. Doch an meinem Ankunftstag heißt es zunächst einmal: Ankommen, Anschauen, Akklimatisieren. Immer der Nase nach, mal rechts in die Straße, links an dem Brunnen vorbei, einfach da hin, wo es mich hintreibt. Ich spüre noch immer die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht, die mir hoch über den Wolken durchs Flugzeugfenster auf die Nase schienen. Glücklicherweise liegt mein Hostel mitten im Zentrum von Nizza am Place Masséna und die Gefahr mich zu verlaufen hält sich in Grenzen. Denn eines muss ich zugeben: Mir fehlt es an Orientierung.

Es ist suspekt. Obwohl es heute bewölkt ist, haben wir trotzdem 16 Grad. Der bunt leuchtende Weihnachtsmarkt wirkt fehl am Platz. Genauso wie das kitschige Schneeschloss und der unter einer Kuppel mit Kunstschnee bestäubte Apollo. Es wird langsam dunkel und aus den Lautsprechern dröhnt besinnliche Weihnachtsmusik, es riecht nach Zimt und Zucker. Côte d’Azur mal anders. Ich suche das Weite.

Zwei Stunden lang schlendere ich durch die Stadt, blicke in Schaufenster, knipse die hübschen Häuserfassaden und fühl mich in keinster Weise einsam. Ich entdecke kleine Ecken, verlaufe mich im Gewirr der Altstadt, ohne dass es mich stört, den ich habe kein Ziel und keine Eile.

Nizza Bezirzt Soloreise

Alleine ins Restaurant? Eigenartig.

Als mein Magen sich bemerkbar macht, mache ich mich auf die Suche nach einem Restaurant zum Abendessen. Ich halte an allen Restaurants an schaue auf die Karten. Sie unterscheiden sich nicht groß, doch bei keinem der Restaurants kann ich mich überwinden hineinzugehen. Ich laufe vorbei, drehe um und gehe erneut vorbei. Endlich gebe ich mir einen Ruck und setze mich auf die nächstbeste für den Winter überdachte und mit Heizpilzen ausgestattete Terrasse. Der Kellner begrüßt mich freundlich und weist auf einen Tisch in der Ecke. Ich bestelle einen Rotwein und eine Pizza, die den ganzen Tisch ausfüllt. Es ist zunächst eigenartig alleine zu essen, alleine am Rotwein zu nippen, doch diese Gefühl legt sich schnell. Mir fehlt zwar ein Gespräch, doch dafür lausche ich den Gesprächen am Nachbartisch, beobachte die Menschen, die am Restaurant vorbeilaufen.

Ein Ehepaar bleibt an der Karte stehen, überlegt und geht weiter. Kurz darauf kommen sie wieder. Die Frau begutachtet die Schaufenster, der Mann steht gelangweilt daneben. Nach einigem Hin und Her betreten sie die Terrasse und nehmen Platz. Wortlos nehmen sie die Speisekarten entgegen. Kein Gespräch, keine Blicke, auch kein Streit. Sie haben sich einfach nichts zu sagen.

Mein Blick wandert weiter zum Kellner. Dieser begrüßt gerade einen Gast mit Küsschen links, Küsschen rechts. Der Gast ist ein Mann um die 50, er ist schick gekleidet und nimmt am Tisch ganz vorne an der Straße Platz. Er zündet sich eine Zigarillo an und der Duft von Vanille streift meine Nase. Er nippt am Espresso, den er soeben bekommen hat und sein Blick streift die Leute, die das Restaurant passieren. Als ein junges Pärchen vorbeikommt, steht er auf und begrüßt den Mann mit dem üblichen Küsschen. Ein kurzes „Salut“, und der Vorbeilaufende geht weiter ohne ein weiteres Wort mit dem Espresso-Mann zu wechseln.
Ich kämpfe bereits mit der Pizza. Die stattlichen Preise gehen immerhin mit einer guten Größe einher. Ich nippe an einem Wein. Ein älterer Mann von vielleicht 70 Jahren verlässt das Restaurant. Als er an meinem Tisch vorbeikommt nickt er mir zu und wünscht: „Bon appétit!“. Ich lächele dankend. Eine halbe Stunde später kommt er wieder zurück und winkt mir fröhlich zu als er erneut die Pizzeria betritt. Er setzt sich wieder auf seinen Platz und bestellt einen weiteren Rosé.

Einsamkeit ist relativ

Je länger ich sitze, desto öfter erkenne ich Leute, die ich schon bei meinem Streifzug durch die Innenstadt gesehen habe. Nizza ist übersichtlich und in der Nebensaison sind die Restaurants und Straßen nur spärlich besucht. In den kommenden Tagen wird es mir öfter passieren, dass mir die Kellner schon von Weitem zuwinken, dass ich das ein oder andere Gesicht erkenne und bei meinen Ausflügen immer wieder denselben Menschen begegne.

„C’est très gentil“, sagt der Kellner als ich bezahle und ein kleines Trinkgeld gebe. Ich stimme ihm innerlich zu und mache mich beschwingt auf den Weg in mein Einzelzimmer. Dort will ich noch ein bisschen faulenzen und eine Folge meiner Lieblingsserie anschauen – ganz alleine und ich freue mich darauf. Einsamkeit ist eben relativ.Nizza Bezirzt

Seid ihr schon alleine verreist? Und wenn ja, wie war euer erster Abend alleine im Restaurant? Ich freue mich auf eure Erfahrungen!

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